Robert Moser (1838 bis 1918)
Der Herzogenbuchseer Ingenieur Robert Moser war zwischen circa 1880 und 1900 der bedeutendste Eisenbahnbauer der Schweiz. Er plante rund 1500 km vor allem schweizerische Bahnstrecken und leitete den Bau auf einer Länge von rund 450 km. In Herzogenbuchsee plante er das in seiner Grundstruktur noch immer so bestehende Quartier entlang der Bahnhofstrasse. Womöglich das eindrücklichste Werk von Moser ist die grosse Anzahl und Ästhetik der Natursteinbücken vorwiegend bei der Rhätischen Bahn.
Moser kam ein Jahr vor seiner Schwester Amélie 1838 zur Welt. Amélie wurde in Herzogenbuchsee mit dem „Kreuz“ zur schweizerischen Pionierin von Frauenbildung und Volksgesundheit und das Symbol für die Dynamik des Industriedorfes im 19. Jahrhundert. Vater Samuel Friedrich Moser (1808 bis 1891) war mit der Gründung und dem expansiven Betrieb der Seidenbandweberei zwischen Byfangweg und Wangenstrasse der damals wichtigste einheimische Fabrikant geworden. Der zwei Jahre ältere Bruder Emil war Kaufmann und Nationalrat. Robert verheiratete sich 1874 mit der Leipziger Pfarrerstochter Henriette Dorothea Cleophea Blass. Einer der Söhne, Paul, wurde Oberingenieur der Schweizerischen Vereinigung der Dampfkesselbesitzer.
Bahnlinien wie die am Gotthard, die Albulalinie, die Zurichseelinie, die Toggenburglinie, Bière-Morges, Chur-Thusis, aber auch Eglisau-Schaffhausen hat Moser geplant oder deren Bau geleitet, beim Lötschberg- und beim Simplonbau war er als gefragter Berater tätig. Alles, was ab 1870 in der Schweiz, zur Bahnhochkonjunktur also, noch gebaut wurde, trug und trägt bis heute die Handschrift Mosers. Auch kleinere Bahnanlagen, wie Wattwil-Rapperswil, Glarus-Linthal oder Winterthur-Koblenz stammen planerisch von Moser. Die Laufbahn begann nach dem naturwissenschaftlichen Gymnasium in Zürich und dem nur dreijährigen Ingenieur-Studium an der ETH, die damals noch Eidgenössisches Polytechnikum hiess. 1859 verliess er die ETH. 1860 bearbeitete er im Auftrag der Stadt Basel als Praktikant Bahnprojekte in Württemberg. Im gleichen Jahr plante er als 22-Jähriger das Bahnhofquartier in Herzogenbuchsee, das 1863 bis 1873 nach seinen Plänen realisiert wurde. 1867 wurde Moser Kantonsingenieur in Solothurn, zog aber rasch nach Böhmen und arbeitete für die Kaschau-Oderbergbahn. 1872 kam er in die Schweiz zurück und wurde Oberingenieur einer der drei damals wichtigsten Schweizer Bahnen, der Nordostbahn NOB, die später in der SBB aufging. 1879 geriet die NOB, die anders als heute die SBB privat finanziert war, in Geldschwierigkeiten, worauf Moser selbständig arbeitete und den Bau der Gotthardlinie von Flüelen nach Göschenen leitete. 1888 wurde er in der inzwischen saniert NOB wieder Oberingenieur, bis 1895 Grossaktionär Guyer-Zeller in einem Geldgeber-Kraftakt das Direktorium wechselte und Moser daraufhin 1896 kündigte.
Von diesem Zeitpunkt an arbeitete Moser als selbständiger Ingenieur teils planend, teils Infrastrukturbauten leitend, teils beratend. In seinem Büro entstanden auch Pläne für die dann nie realisierten Splügen- und Greinabahnen. Er gehörte zum ersten Verwaltungsrat der SBB, bekam 1905 den Ehrendoktor der Uni Zürich, lehnte aber eine Professur ab. Moser schrieb um die 50 wissenschaftliche Abhandlungen, darunter zahlreiche geologische, die teilweise mit der Geologie-Koryphäe Albert Heim entstanden. Moser galt als Ingenieur, der seine Bauten – wie bis heute vorbildlich die Albulabahn – harmonisch in die Topographie einfügte. Seine Natursteinbrücken im Gebirge schufen einen denkmalpflegerisch wichtigen Kontrast zum Boom der Stahlbrücken im Mittelland. Rückwirkend gesehen kann Mosers Wirken in den Zusammenhang mit den andern grossen Schweizer Bahningenieuren des 19. und 20. Jahrhunderts, Richard LaNicca, Gustave Bridel oder Ferdinand Rothpletz, gestellt werden. In Herzogenbuchsee wird sein Einfluss auf die Schweizer Bahnen, von denen er knapp einen Drittel plante und bei fast zehn Prozent den Bau leitete, bis heute arg unterschätzt.
Hans Kaspar Schiesser