Buchsibahn – neunzehn goldene Jahre
Zwischen 1857 und 1876 erlebte Herzogenbuchsee goldene Eisenbahnzeiten. Das kleine Dorf war zum wichtigen Umsteigeort zwischen Biel und Basel sowie Olten und Solothurn geworden. Bis die Gäubahn via Oensingen neue Direktverbindungen am Jurasüdfuss bot. Ab dann war die kleine Verbindung zwischen Herzogenbuchsee und Lyss via Solothurn eine eher unbedeutende Lokalbahn für die solothurnischen und bernischen Industrieorte. 1992 ersetzte man sie durch Busse, unter anderem weil man ihre Trasse für den Solothurn-Ast von Bahn 2000 benötigte.
1847 war die erste inner-schweizerische Linie des heutigen nationalen Eisenbahnnetzes zwischen Zürich und Baden eröffnet worden. Erst sieben Jahre später folgte die zweite Linie, Basel-Liestal. Als am 11. März 1857 der erste Dampfzug von Aarburg her Herzogenbuchsee erreichte, waren gerade mal zwei Dutzend – kleinere – Linien gebaut. Zusammenhängend war noch wenig. Aber der Bauboom hatte auch gerade erst begonnen. Vor allem in Herzogenbuchsee. In jenem Schlüsseljahr 1857 eröffnete man von Herzogenbuchsee aus Richtung Solothurn-Biel/Bienne eine Linie der Centralbahn, die „Buchsibahn“. Sie sah mithin Eisenbahnverkehr noch vor der der heutigen Stammlinie, wenn auch knapp. Der Ast Herzogenbuchsee-Wilerfeld (Bern) funktionierte genau 16 Tage später dann auch.
Buchsi-Bahnhof – nur dank der Solothurn-Linie
Mitte 2017 würde die Buchsibahn also 160 Jahre alt. Und es ist nicht vermessen zu behaupten, dass Herzogenbuchsee dem Abzweiger Richtung Solothurn seinen Bahnhof verdankt. Die Projektierung der Centralbahn ab 1853 sah die Linienführung nämlich prioritär von Langenthal via das Bleienbachermoos (heutiger Flugplatz) nach Thörigen Richtung Burgdorf vor, vorbei an Buchsi. Dem einheimischen Grossrat Gottlieb Moser blieb, weil die Strecke schon ausgesteckt war, das nicht verborgen. Die Gemeinden Herzogenbuchsee und Wangen, das auf eine Bahn-Verbindung mit Buchsi hoffte, wurden bei der Centralbahn vorstellig. Ihr Argument: die Gütertransporte der Firmen Moser (Buchsi) und Roth (Wangen). Das überzeugte jedoch die SCB-Manager weniger als der Umstand, dass über Herzogenbuchsee Solothurn besser zu erreichen war als über Thörigen. Aber es gab nochmals Ärger: Der heutige gewählte Standort war einigen Buchsern zu zentrumsnah, sie wollten wie die Pfarrer kein „Eisenbahngewühl in der Nähe der Pfrunddomäne“ (damaliges Pfarrhaus, heutiges Gemeindehaus) haben. Der Bahnhof sei etwa 40 Meter weiter Richtung Niederönz zu verlegen. Diesmal waren Einsprache und Lobbying aber erfolglos.
Der Bahnhof Buchsi ging 1857 mit 14 Angestellten in Betrieb, zuzüglich neun Mann für den Zugbetrieb. Notar Johannes Schneeberger wurde der erste Bahnhofvorsteher. Er bekam einen Jahreslohn von 1800 Franken und freies Logis im Bahnhof. Zum Bahnhof gehörten die 1979 abgebrochene Perronhalle, zwei Remisen, die mit einer Drehscheibe verbunden waren, und zwei Wasserkrane. Samuel Friedrich Moser, der Vater von Amelie, liess im Löhli-Wald zwei Quellen fassen und verkaufte dann die Wasserrechte samt Infrastruktur der Centralbahn. Dampflokomotiven brauchten für ihre Kessel gewaltige Mengen Wasser.
Von zwanzig auf acht Kurse
Die Jahre von 1857 bis 1876 gelten als goldene Zeit der Eisenbahn in Herzogenbuchsee. Fast wie Olten war Buchsi ein Umsteigeort, in diesem Fall zwischen den Linien nach Bern und Solothurn-Biel. 20 Züge verkehrten täglich auf der Buchsibahnstrecke. Als die Linie 1992 stillgelegt wurde, waren es nur noch 15. Der Rückschlag kam schon 1876. In diesem Jahr erreichte die Gäubahn Solothurn von Olten her. Wangen, das vergeblich auf eine Verbindung mit Herzogenbuchsee gehofft hatte, war nun entlang des Jurafusses mit der Eisenbahn-Schweiz verbunden und Herzogenbuchsee verlor seine Umsteigefunktion. Jetzt verkehrten von einem Tag auf den andern täglich nur noch acht Zugspaare.
Die Buchsibahn war eine wenig genutzte Lokallinie geworden. Denn 1876 hatten die zupendelnden Schuharbeiterinnen in Herzogenbuchsee oder die Wegpendler nach Subingen zu niedrige Einkommen, als dass sie sich Bahnpendeln hätten leisten können. Eine Pendlerbahn wurde die Linie erst ab den späten vierziger Jahren.
Doch kurz darauf setzte auch schon der Autoboom ein. Die Bahnhöfe der Buchsibahn lagen bei den solothurnischen Orten überdies oft nicht in Zentrumsnähe. Die Auslastung blieb auf bescheidenem Niveau, auch weil die Anlagen, vor allem die Bahnhöfe, vernachlässigt worden waren. Und selbst die Umstellung 1944 auf elektrischen Betrieb, später als bei fast allen andern Linien, war eher eine Beschaffungsmassnahme im Krieg, als dass die SBB sie für betrieblich nötig erachtet hätte. Die schweren Elektroloks machten in jenem Jahr ausserdem einige Brückenverstärkungen nötig, vor allem beim Übergang in Wanzwil.
1990, kurz vor dem Aus, hatte die Linie Herzogenbuchsee-Solothurn-Lyss noch eine Auslastung von 12 Prozent. Das war zwar mehr als La Plaine-Genève (11), Vallorbe-Le Pont (7), Moutier-Basel (11), Beinwil-Beromüster (7) oder Stein am Rhein-Winterthur (9), aber der Grenzkostendeckungsgrad von noch 30 Prozent lag im kritischen Bereich. Im Tagesmittel nutzten die gesamte Linie gerade einmal noch rund 650 Kunden. Schon Ende der siebziger Jahre gab es Bestrebungen, die Linie aufzugeben. Das konnte 1980 von den Anrainer-Gemeinden verhindert werden. 1990 gab’s den zweiten Anlauf zur Streckenschliessung. Er war besser vorbereitet. Den Gemeinden, vor allem denjenigen auf solothurnischem Boden, wurden gute Busanschlüssen in die Hauptstadt schmackhaft gemacht. Die Haltestellen würden (auch) in der Dorfmitte liegen. Weniger Werbung wurde mit der Fahrzeit gemacht. Die Bahn benötigte von Buchsi in den Solothurner Hauptbahnhof 17 Minuten. Der Bus braucht auch heute noch 26 bis 34 Minuten, je nach Streckenwahl.
Ein Ende mit viel Kunst
Vor allem in Inkwil und Herzogenbuchsee wehrte sich ab 1990 die „IG Regionalverkehr Wasseramt/Oberaargau“ gegen die Umstellung, bekam aber kaum offizielle solothurnische und nur wenig bernische Unterstützung. Mittlerweile war auch immer deutlicher geworden, dass die Verbindung Olten-Solothurn der geplanten Bahn 2000 nicht übers Gäu (also Oensingen) sondern über Herzogenbuchsee führen sollte, natürlich ohne Zwischenhalt. Da die Linie mangels Güterverkehr einspurig geführt werden konnte, lag das alte Buchsibahn-Trassee goldrichtig, zumindest ab Inkwil. Das Schicksal der Buchsibahn war besiegelt. Am 30. Mai 1992 zog eine Re 4/4 I zum letzten Mal Personenwagen von Herzogenbuchsee nach Solothurn. Die Dörfer verabschiedeten „ihre“ Bahn liebevoll mit langen Halten, Konzerten, Umtrunken und Blumen. Die Auslastung an jenem Tag liess nicht zu wünschen übrig.
Der Busbetrieb seither weckt wenig Begeisterung, weil er ein gut halbstündiges Hausecken-Ralley von Buchsi nach Solothurn darstellt. Aber er hat die Nachfrage erhöht, bietet mehr Kurse und vor allem auch die Möglichkeit, nach einem Solothurner Filmabend noch nach Hause zu kommen. Als 1996 die „Kunstlinie“ das verlassene Trasse zwischen Inkwil und Subingen eine Saison lang mit einer einzigartigen Freiluftausstellung (40 Künstlerinnen und Künstler) füllte, kam noch einmal Leben auf die alten Gleise. Sinnbildlich waren Installationen wie “Bahngleise europakompatibel“ von Beat Julius Müller, der Bahnhofsschilder von ganz Europa, von Hammerfest bis Istanbul montiert hatte, oder ein auf dem Rücken liegender Güterwagen, der an einen toten Käfer (auf der toten Bahnlinie) gemahnte.
Herzogenbuchsee-Solothurn via Inkwil fährt man heute immer noch auf Schienen. Via die einzigartige Tunnel-Bahnüberwerfung Wolfacher Nord und Wolfacher Süd ab Wanzwil, aber ohne Halt mit knapp 200 km/h im Neigezug. Immerhin. Den Inkwilersee kann man noch knapp erkennen. (hks)